Rechtsgrundlagen
Die Mehrsprachigkeit der Europäischen Union und ihrer Institutionen wird durch die Verordnung Nr. 1/58 des Rates geregelt. Artikel 1 dieser Verordnung legt fest, dass die Amtssprachen der EU die Sprachen der Mitgliedstaaten sind. Früher, als die EU noch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft war, gab es nur vier Amtssprachen. Mit jeder Erweiterungsrunde kamen weitere Sprachen hinzu:
„Die Amtssprachen und die Arbeitssprachen der Organe der Union sind Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch, Italienisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch.“
Die Wahrung der Sprachenvielfalt ist für die EU ebenso ein Grundwert wie die Menschenwürde und die Offenheit gegenüber anderen Kulturen. In der Präambel zum Vertrag über die Europäische Union wird darauf verwiesen, dass „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ geschöpft wird, und dass das Bekenntnis „zu den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte“ bekräftigt wird. In Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union geht es um die Achtung der Menschenrechte und die Nichtdiskriminierung, während Artikel 3 fordert, dass die EU „den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt“ wahren solle.
Die Charta der Grundrechte der EU, die im Jahr 2000 angenommen und durch den Vertrag von Lissabon rechtsverbindlich wurde, untersagt Diskriminierung aufgrund von Sprache (Artikel 21) und verpflichtet die Union dazu, die sprachliche Vielfalt zu achten (Artikel 22).
Die Vereinten Nationen arbeiten mit 6 Sprachen: Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch.
Die Politik der Mehrsprachigkeit der Vereinten Nationen
Die Mitglieder des IAMDLAP* haben ebenfalls einen Text zur Mehrsprachigkeit angenommen, und zwar die sogenannte Wiener Erklärung.
In puncto Urheberrecht und Schutz des „geistigen Eigentums“ ist eine Verdolmetschung, sobald sie aufgezeichnet und gespeichert ist, durch internationales Recht geschützt. Das Berner Übereinkommen schützt die Interessen der Urheber. Da Übersetzungen wie Originalwerke behandelt werden, gelten Übersetzer als Urheber. Sobald die Verdolmetschung einer Konferenzdolmetscherin bzw. eines -dolmetschers in gegenständlicher Form vorliegt, gilt sie gemäß dem Berner Übereinkommen als Übersetzung. Die hierin formulierten Exklusivrechte finden Anwendung auf den Urheber. (Quelle: AIIC)
*IAMLADP (Internationales Jahrestreffen zu Sprachendiensten, Dokumentation und Veröffentlichungen) ist ein internationales Forum und Netzwerk aus Führungskräften internationaler Organisationen, die Konferenz- und Sprachdienstleister beschäftigen, das von der UNO in Zusammenarbeit mit der EU einberufen wird.
Berufliche Normen und Geschäftsethik
Bei internationalen Organisationen wie der EU sind strenge Auswahlverfahren für festangestellte und freiberufliche Dolmetscherinnen und Dolmetscher vorgeschrieben. Hiermit sollen stets qualitativ hochwertige Verdolmetschungen gewährleistet werden.
Die GD Dolmetschen legt in einer Vereinbarung („The Agreement“) mit ihren Beamten und Zeitbediensteten die Arbeitsbedingungen fest.
Für die Zusammenarbeit mit freiberuflichen Dolmetscherinnen und Dolmetschern gibt es eine gesonderte Übereinkunft („La Convention“).
Die beruflichen Normen und die Geschäftsethik decken viele verschiedene Aspekte ab. Hier ein Auszug aus den Ethikgrundsätzen der GD Dolmetschen:
1. Teamwork: Die Arbeit einer Dolmetscherin bzw. eines Dolmetschers ist grundsätzlich eine Einzelleistung. Die Gesamtleistung ist jedoch nur dann von hoher Qualität, wenn alle Teammitglieder ihr Bestes geben und gute Teamarbeit leisten. Dies gilt sowohl für kleine Teams, die sich eine Kabine teilen, als auch für größere Teams, die bei einer Sitzung dolmetschen. Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzte und Kunden sollten stets respektvoll behandelt werden. Der Respekt gilt dabei nicht nur der Person an sich, sondern auch ihrer verfügbaren Zeit und ihrem Platzbedarf.
2. Hilfsbereitschaft: Hilfsbereitschaft gegenüber Kolleginnen und Kollegen ist von Haus aus selbstverständlich; wir sollten stets ein Gespür dafür haben, wann und wie wir Hilfe anbieten können. Wir sollten unsere Hilfe jedoch nicht aufdrängen und Ablehnung nicht persönlich nehmen. Allein zu wissen, dass wir auf Unterstützung vertrauen können, kann schon Hilfe genug sein. Gleichzeitig sollten wir unseren Kollegen mitteilen, welche Art von Hilfe wir benötigen, insbesondere dann, wenn wir das Gefühl haben, nicht angemessen unterstützt zu werden.
3. Relais: Der Respekt sollte sich in der kollegialen Nutzung der Relais-Taste bzw. des B-Kanals widerspiegeln, z. B. sollten wir die Relais-Taste nach einer Retour-Verdolmetschung deaktivieren, um den Kanal für die Kabine der A-Sprache freizugeben, oder den Kanal einer anderen Kabine nicht blockieren, in der gerade eine Retour-Verdolmetschung erfolgt.
4. Vorbereitung: Zu unseren wichtigsten Aufgaben gehört eine gründliche und systematische Vorbereitung auf alle Sitzungen, in denen wir dolmetschen. Je mehr wir über das Thema, die Hintergründe und die Terminologie einer Sitzung wissen, umso besser sind wir in der Kabine. Eine gründliche Vorbereitung erfordert Zeit und Aufwand, ist jedoch unerlässlich, wenn wir unser zentrales Ziel erreichen wollen: eine qualitativ hochwertige Verdolmetschung.
Da Sitzungen immer spezieller und technisch komplexer werden, kann die Vorbereitung selbst schon zur Hauptaufgabe werden. Es lohnt sich jedoch und ist Grundlage unseres guten Rufs.
5. Vertraulichkeit von Unterlagen: Die Unterlagen, die entweder zuvor elektronisch übermittelt oder in den Kabinen verteilt wurden, sind vertraulich zu behandeln, auch wenn ein bestimmtes Dokument bereits zuvor in einem anderen Rahmen veröffentlicht wurde. Die Unterlagen sollten außerhalb der Kabine nicht offen liegen gelassen und außerhalb der geschützten EU-Netzwerke nicht elektronisch weitergeleitet werden. Dolmetscherinnen und Dolmetscher sollten unnötige Vervielfältigung oder Verbreitung der Unterlagen vermeiden und das Prinzip der erforderlichen Kenntnisnahme beherzigen.
Video zu professionellem Verhalten in der Kabine
Der Internationale Verband der Konferenzdolmetscher (AIIC) steht für Qualität und Standards – auch was die Arbeitsbedingungen betrifft. Eine AIIC-Mitgliedschaft erfolgt im Rahmen einer Begutachtung durch Fachkollegen sowie in Form eines Bürgschaftssystems. AIIC-Mitglieder verpflichten sich zur Beachtung der strengen beruflichen Normen und der Geschäftsethik.
ISO-Normen beim Dolmetschen
Die GD Dolmetschen war an allen Normen mit Dolmetschbezug beteiligt (außer an der zum Kommunaldolmetschen (13611), die beschlossen wurde, bevor sie zur ISO-Norm wurde). Wir nehmen an den ISO-Sitzungen als assoziiertes Mitglied ohne Stimmrecht teil (nur die nationalen Ausschüsse der Länder haben Stimmrecht), können uns aber bei den Diskussionen zu Wort melden und somit Einfluss nehmen.
Die Internationale Organisation für Normung (ISO) berät derzeit in Sitzungen, an denen auch die GD Dolmetschen teilnimmt, über eine spezifische Norm für Konferenzdolmetscher.
Es gibt eine allgemeine ISO-Norm für Dolmetscherdienste; ISO 188841: Dolmetscherdienste – allgemeine Anforderungen und Empfehlungen.
Die GD Dolmetschen achtet stets auf die Einhaltung der ISO-Normen, auch wenn die EU-Institutionen nicht zertifizierungspflichtig sind.
Technische Standards
Die GD Dolmetschen unterstützt die Entwicklung und Einhaltung modernster technischer Standards (einschließlich der ISO-Normen).