Wie in fast allen Bereichen hatte und hat die im März 2020 ausgebrochene COVID-19-Pandemie spürbare Auswirkungen auf die Arbeitsweise der GD Dolmetschen (SCIC).
Vor der Pandemie fanden die meisten Sitzungen ausschließlich als Präsenzsitzungen statt, wobei gelegentlich eine sehr begrenzte Zahl von Redenden per Videokonferenz zugeschaltet war. Die GD Dolmetschen bot für die Arbeitsessen bei den Gipfeltreffen des Europäischen Rates außerdem eine Fernverdolmetschung über Videokonferenzsysteme an.
Seit März 2020 ist die Fernteilnahme bei vielen Sitzungen die einzig mögliche Lösung, da Reisebeschränkungen und Hygienemaßnahmen eingehalten werden müssen. Daher musste die GD Dolmetschen als Reaktion auf diese Krise die Instrumente anpassen, die für die Übermittlung von Dolmetschleistungen an Fernteilnehmende notwendig sind. Diese Maßnahmen waren für die GD Dolmetschen entscheidend, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten und eine mehrsprachige Beschlussfassung in der Europäischen Kommission und in den anderen EU-Institutionen zu ermöglichen – und dies zu einer Zeit, in der die EU-Bürger/innen besonders stark auf die Beschlussfassung angewiesen waren. Im Jahr 2019 führte die GD Dolmetschen eine Analyse der verschiedenen kommerziell verfügbaren Simultan-Dolmetschplattformen (Simultaneous Interpreting Delivery Platforms – SIDP) durch, um deren Vor- und Nachteile zu ermitteln und mögliche Anwendungsfälle der Plattformen in einem Umsetzungsmodell zu bestimmen, das jedoch zu dieser Zeit noch ganz anders aussah.
Im April/Mai 2020 wählte die GD Dolmetschen auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Analyse die Plattform Interactio als diejenige SIDP aus, die für ihren Bedarf am besten geeignet ist, und integrierte die Plattform in die audiovisuelle Infrastruktur ihrer Sitzungssäle, die mit standardisierten, ISO-konformen Dolmetschkabinen ausgestattet sind. Diese Lösung ermöglicht es den Dolmetscherinnen und Dolmetschern der GD Dolmetschen, unter Verwendung der hochmodernen Konferenzsysteme der EU-Institutionen in einer Umgebung zu arbeiten, an die sie gewöhnt sind.
Am 4. Mai 2020 wurde auf der Geberkonferenz zur weltweiten Corona-Krisenreaktion (Coronavirus Global Reponse Pledging Conference) – einer hochrangigen Veranstaltung in sechs Sprachen unter dem Vorsitz und der Organisation der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, bei der über 15,9 Mrd. EUR für den universellen Zugang zu Tests, Behandlungen und Impfstoffen gegen das Coronavirus und für die weltweite Erholung mobilisiert wurden – eine erfolgreiche Verdolmetschung über Interactio bereitgestellt. Seitdem wurde Interactio in der Europäischen Kommission nach und nach eingeführt und immer mehr Sitzungssäle sind nun mit dieser Dolmetschplattform ausgestattet. Die GD Dolmetschen startete im Mai mit der Nutzung dieser Werkzeuge und nahm im gleichen Zug temporäre Krisenarbeitsregelungen für das Simultan- oder Konsekutivdolmetschen über SIDP oder Videokonferenzwerkzeuge an. Diese Regelungen wurden als notwendig erachtet, um die Auswirkungen abzumildern, die sich aus den technischen Einschränkungen und der Neuartigkeit dieser Werkzeuge ergaben.
Gemäß diesen temporären Krisenarbeitsregelungen erhöhte die GD Dolmetschen die Zahl der Dolmetscher/innen, die sich die Arbeitslast teilen, ebenso wie die Zahl der Pausen, beschränkte die Arbeitszeit in der Kabine und stellte Entlastungsteams bereit, die Dolmetscher/innen ablösen, die sie dieses Zeitlimit erreicht haben. Diese temporären Krisenarbeitsregelungen wurden im Einvernehmen mit der Personalvertretung der GD Dolmetschen verabschiedet und im Dezember 2020 aktualisiert, um den bis dahin gesammelten Erfahrungen Rechnung zu tragen.
Seit der Einführung von SIDP und anderen kommissionsinternen Videokonferenzwerkzeugen hat die GD Dolmetschen bewährte Verfahren ermittelt, die sie den Sitzungsvorsitzenden, -teilnehmenden und den -leitenden auf vielfältige Weise mitgeteilt hat. Die GD Dolmetschen hat Leitlinien in allen EU-Sprachen mit Ratschlägen zur Internetverbindung, zur IT-Ausrüstung der Teilnehmenden und zur Sitzungsetikette herausgegeben und diese für alle Nutzer/innen ihrer Dienste großflächig bereitgestellt. Auch ein kurzer Videoclip mit Tipps für die erfolgreiche Teilnahme an einer Videokonferenz mit Verdolmetschung wurde erstellt und über die sozialen Medien verbreitet.
Die GD Dolmetschen hat spezifische Leitlinien für Dolmetscher/innen und Leiter/innen von Dolmetschteams herausgegeben. Zum Schutz der Dolmetscher/innen hat sie außerdem einen Haftungsausschluss für den Fall von Unterbrechungen des Dolmetschdienstes aufgrund technischer Probleme herausgegeben. Außerdem haben einzelne Dolmetscher/innen und Leiter/innen von Dolmetschteams die Genehmigung erhalten, die Verdolmetschung einzustellen, wenn die technischen Mindestanforderungen oder sonstige Bedingungen nicht erfüllt sind.
Die GD Dolmetschen hat bei verschiedenen internen und externen Interessenträgern, einschließlich der Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten bei der EU, konsequente Sensibilisierungsmaßnahmen in Bezug auf die Besonderheiten von SIDP durchgeführt und den Sitzungsleiterinnen und -leitern im Vorfeld von Sitzungen Schulungen angeboten.
Die GD Dolmetschen bietet außerdem regelmäßige Schulungen zur Verwendung von SIDP und Videokonferenzwerkzeugen für Kommissionsbedienstete an. Unter Dolmetscherinnen und Dolmetschern hat die GD Dolmetschen eine umfassende Umfrage zu den Erfahrungen mit SIDP und Videokonferenzwerkzeugen durchgeführt und die Ergebnisse als Grundlage für ihr Vorgehen genutzt. Vor dem Einsatz der entsprechenden Werkzeuge testete die GD Dolmetschen die neuen Bereitstellungsmodelle mithilfe von Dolmetscherinnen und Dolmetschern und ließ deren Feedback in die weiteren Überlegungen einfließen. Darüber hinaus führt die GD Dolmetschen vor Sitzungen, bei denen SIDP oder Videokonferenzwerkzeuge zum Einsatz kommen, Verbindungs- und Tontests durch bzw. beteiligt sich an diesen, um die Sitzungsteilnehmenden, die Sitzungsvorsitzenden und das technische Personal vorab individuell zu beraten und die technischen und praktischen Bedingungen für alle Beteiligten zu verbessern.
Die GD Dolmetschen hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, an der die Personalvertretung der GD Dolmetschen und der Internationale Verband der Konferenzdolmetscher (AIIC) als Beobachter teilnehmen. Die Arbeitsgruppe erstellt derzeit eine Charta hinsichtlich der Nutzung von SIDP. Hinter all diesen Initiativen steht das Bestreben, für alle Teilnehmenden und Dolmetscher/innen einer Sitzung die bestmöglichen Ton- und Bildbedingungen zu schaffen. So haben die über 50 000 Teilnehmenden der Sitzungen, die die Europäische Kommission zwischen März 2020 und Dezember 2020 unter Verwendung von Interactio organisiert hat, erlebt, welch entscheidende Bedeutung einer angemessenen Ausstattung für Videokonferenzen mit Verdolmetschung zukommt.
Da die Dolmetscher/innen der GD Dolmetschen in den meisten Fällen in den Räumlichkeiten der EU-Institutionen arbeiten und daher physisch am Arbeitsplatz anwesend sein müssen, wurde eine Reihe von Maßnahmen insbesondere im Hinblick auf den physischen Abstand, die Hygiene und die Begrenzung des Kontakts bei Dolmetscheinsätzen ergriffen, um die Sicherheit der Dolmetscher/innen zu gewährleisten. Damit werden Leitlinien für den betrieblichen Gesundheitsschutz und die Betriebskontinuität umgesetzt. Die GD Dolmetschen konnte somit während der gesamten Pandemie weiterhin grundlegende Dolmetschleistungen mit größtmöglicher Mehrsprachigkeit bereitstellen und hat ihre Arbeitsweise an den geänderten Bedarf angepasst, bis die Gesundheitssituation eine Rückkehr zu normalen Arbeitsbedingungen ermöglicht.