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Gebärdendolmetschen bei Gericht

Gebärdendolmetschen bei Gericht

Gebärdendolmetschen bei Gericht

Gebärdendolmetschen im juristischen Kontext findet nicht unbedingt immer nur im Gerichtssaal, sondern manchmal auch auf der Polizeiwache statt. Für Gebärdendolmetscherinnen und -dolmetscher gilt ein spezieller Berufskodex: Sie sind zur Vertraulichkeit verpflichtet und für eine ebenso korrekte wie kulturgerechte Verdolmetschung verantwortlich.

Zusätzlich müssen sie gerichtlich vereidigt sein. Gerichtlich vereidigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher werden in ein staatliches Verzeichnis aufgenommen oder durch ein anderes vergleichbares System als Gerichtsdolmetscher qualifiziert.

 

In vielen Ländern haben Gehörlose, Schwerhörige und Taubblinde in Strafverfahren einen Rechtsanspruch auf einen professionellen und qualifizierten Gebärdendolmetscher. Die Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 legt in den Mitgliedstaaten anwendbare Mindestvorschriften über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren sowie in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls fest.

In dem von der Europäischen Kommission unterstützten Projekt JUSTISIGNS[1] heißt es:

In einem Rechtsverfahren kommen Modelle gesellschaftlicher Grundsätze, Wissen über das kulturelle Verhalten und die Moral der Bevölkerungsmehrheit sowie Annahmen über die Verwendung einer gemeinsamen Sprache und juristische Präzedenzfälle zum Tragen. Diese Annahmen sind auf gehörlose Menschen in Rechtsverfahren aber nur teilweise anwendbar. Deshalb ist der Anspruch, dass die Justiz die Rechte des Einzelnen schützen soll, in Frage gestellt, wenn man davon ausgeht, dass Gehörlose auf gleiche Weise Zugang zum Rechtssystem haben und die gleichen Ergebnisse erwarten sollen wie hörende (d. h. nicht hörbehinderte) Menschen in derselben Situation.

JUSTISIGNS macht drei spezifische Gründe für dieses Problem aus:
Die fehlende oder begrenzte Anerkennung von Gebärdensprachen hindert gehörlose und hörbehinderte Menschen am Zugang zu Informationen in allen Phasen eines Gerichtsverfahrens.
Bei Gericht besteht oft nur begrenztes Verständnis für die durch Verdolmetschung zwischen zwei Sprachen entstehenden Sachzwänge, wobei erschwerend hinzukommt, wenn zwischen einer Lautsprache (auditiv-verbal) und einer Gebärdensprache (visuell-räumlich) verdolmetscht wird.
Bei den Angehörigen der Rechtsberufe mangelt es häufig an Bewusstsein für den geschichtlichen, kulturellen und pädagogischen Hintergrund gehörloser oder hörbehinderter Menschen, was im rechtlichen Rahmen besonders schwierig ist.

Umso wichtiger sind qualifizierte Gebärdendolmetscherinnen und -dolmetscher in solchen Situationen.

Weitere Informationen zum Gebärdendolmetschen bei Konferenzen und Gebärdendolmetschen bei Behörden

 

[1] www.justisigns.eu Projekt zur Festlegung von Kompetenzen fürs Gebärdendolmetschen im juristischen Kontext sowie zur Aus- und Weiterbildung von Gebärdendolmetscherinnen und -dolmetschern